Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hielt man auch in Rülzheim die Zeit für gekommen, einen "weltlichen" Gesangsverein zu gründen. Nachdem durch eine "zirkulierende Liste" genügend Namen zusammengetragen waren, legten 35 Rülzheimer Bürger den Grundstein für den „GESANGVEREIN MÄNNERCHOR“, und schrieben in der ersten Zusammenkunft am 6. Januar 1894 im Nebenzimmer "BÖRSTLER" ihre "Statuten" fest.

Zum ersten Chorleiter wurde der am Ort unterrichtende Lehrer Jakob Kihlmayer ernannt, der auch die "Vereinsstatuten" erarbeitet hatte. Zum 1. Vorstand wählte man Jakob Hartenstein, zum "Kassier" Peter Leingang, und das Amt des Schriftführers übernahm Peter Brust. Die Gründungsversammlung legte weiterhin fest, dass die Aufnahmegebühr 2.- Mark für "Aktive" und 3.- Mark für "Passive" betragen sollte, der Jahresbeitrag wurde einheitlich auf 20 Pfennig für alle Mitglieder festgelegt. Weiterhin beschloss man, "2 Gesangsübungen" pro Woche abzuhalten.

Der Verein entwickelte sich rasch und bereits nach einem Jahr zählte man 32 aktive und 44 passive Mitglieder. In diesem Jahr übernahm auch der über die Ortsgrenzen unseres Dorfes als Musiker, Komponist und Pädagoge bekannt gewordene Lehrer Karl Maupai den Taktstock. Seinem 25-jährigem Wirken verdankt der Chor sein erstes erfolgreiches Aufblühen um die Jahrhundertwende. Zum 10-jährigen Jubiläum 1904 nannte der GV Männerchor bereits ein Klavier und eine Theaterbühne sein Eigentum. Die 100-Mitglieder-Grenze wurde im Jahre 1909 überschritten. Wie überall im "Deutschen Reich" ruhte auch beim Männerchor die Vereinstätigkeit während der Kriegsjahre von 1914 - 1918. Der Rülzheimer Musiker Johann Dörrzapf übernahm das Dirigentenamt im Jahre 1920. Ein Jahr später übergab auch Vorstand Jakob Hartenstein sein Amt nach 27 Jahren an Peter Wüst.

In der "Generalversammlung" im Jahre 1923 wurde die Aufnahmegebühr für Aktive auf 20.- Mark und für Passive auf 50.- Mark festgelegt, der Mitgliedsbeitrag lag für alle bei 20.- Mark pro Jahr. 1929 trat August Hartenstein das "Vorstandserbe" seines Vaters an. Bereits ein Jahr später zählte der GV Männerchor genau 210 Mitglieder. In der Ära Hartenstein-Dörrzapf hatte der Gesangsverein wohl seine größten damaligen gesanglichen Erfolge zu verzeichnen. Es begann auch die "große Zeit" der alljährlichen Theateraufführungen im Vereinslokal "KRONE". Diese erfolgreiche Ära wurde jäh durch den Ausbruch des "2. Weltkriegs" unterbrochen und der florierende Vereinsbetrieb musste eingestellt werden. Aus dem "Ehrenblatt" im Protokollbuch geht hervor, dass 18 Mitglieder im Krieg ihr Leben ließen. Wie alle Vereine, so wurde auch der GV Männerchor nach Kriegsende "aufgelöst", und die meisten Utensilien des Vereins, u. a. ein "wertvolles Klavier" und die "unersetzliche Vereinsfahne" fielen den Wirren der Besatzungszeit zum Opfer.

Am 19. Februar 1948 wurde der Verein wieder offiziell zugelassen. Im Jahre 1949 übergab "Kinobesitzer" Alois Hengen den Dirigentenstab an Alois Stich, der den Verein 18 Jahre erfolgreich durch die Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit führte. Man beschloss auch die Anschaffung einer neuen Vereinsfahne, deren Weihe am 25. Mai 1952 mit großem Festzug durch die geschmückten Straßen Rülzheims gefeiert wurde. Erwin Hartenstein übernahm am 1. März 1956 den Chor und sollte über 34 Jahre lang den Ton angeben. In dieser Zeit wechselte das Vorstandsamt von Karl Börkel 1953, über Xaver Kern 1958, zu Werner Brandl im Jahre 1962, und dann 1978 von Karl Schwindhammer zu Stefan Seelinger (1992 bis 2010), zu Thomas Seelinger (2010 - 2016) und zu Marco Thomas (2016 bis heute).

Im Jahre 1965 wurde auch ein Kinderchor gegründet. In "voller Blüte" trat er mit 50 Mädchen und 25 Buben auf, aber leider musste die vielversprechende junge Chorgruppe, trotz des großen Engagements von Paul Ehses und Thomas Matheis, aufgrund akutem Nachwuchsmangels nach 13 Jahren seine gesanglichen Aktivitäten einstellen.

Wesentlich erfolgreicher dagegen war der im Spätjahr 1974 gegründete Frauenchor, anfangs mit Sängerfrauen "bestückt", der von ursprünglich 11 weiblichen Gründungsmitgliedern auf eine beachtliche Chorgruppe von knapp 50 Sängerinnen anwuchs, die auch heute noch eine wesentliche Stütze des Vereins bildet. Die musikalische Ausbildung von Kinder- Frauen- und Männerchor lag in diesen turbulenten Jahrzehnten in den Händen von Ehrenchorleiter Erwin Hartenstein, der im Jahr 1990 beim "Großen Chor- und Solistenkonzert" in der Rülzheimer "Dampfnudel" das Dirigentenamt an seinen Nachfolger Joachim Kuhn übergab. Ebenfalls in 1990 erfolgte bei der "84. Jahreshauptversammlung" die formale Bestätigung und Eingliederung des Frauenchors als rechtlich eigenständiger Chor in den mittlerweile fast 100-jährigen Traditionsverein. Der neue Name lautete nun: "GESANGSVEREIN MÄNNERCHOR MIT FRAUENCHOR 1894 e.V. RÜLZHEIM"

Im Februar 1992 kam auf "Chorleiter-Initiative" als dritte Chorgruppe ein "Junger Chor" hinzu. Schnell waren rund 30 junge Sängerinnen und Sänger aus 6 Ortschaften der näheren Umgebung von Rülzheim in dieser Gemeinschaft vereint und sangen mit ihrem Gründer und Dirigenten Joachim Kuhn Gospels, Spirituals und Musicals. Trotz ihrer "etwas lockeren" Zugehörigkeit zum Verein bildeten sie eine wesentliche 3. Stütze im musikalischen Geschehen. Die Namenstaufe zur "Jungen Tonart" konnte leider nicht verhindern, dass diese erfolgreiche Chorgruppe, trotz mehrmaligen Werbekampagnen, aufgrund fehlender Männerstimmen, nach knapp 5 Jahren, Ende 1997 die Singstundenaktivitäten endgültig einstellen musste.

Das 100jährige Jubiläumsjahr 1994 war die nächste Station, in der unser Gesangsverein „Geschichte“ schrieb. Eine Fülle von Veranstaltungen im Jubeljahr (Neujahrsempfang, Sänger-/Sportlerball mit Vorstellung „Männerchor-Prinzenpaar“, Chor- und Solistenkonzert) und ein herausragendes Jubiläumswochenende mit Festumzug durch Rülzheims Straßen, und Freundschaftssingen mit über 1100 Sängerinnen und Sängern im Festzelt auf der Festwiese im Vereinsdorf, zeigten eine beispielhafte Gemeinschaftsleistung, die allgemein große Anerkennung fand. Nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der traditionelle „Montags-Heimatabend“ mit abschließendem „Zapfenstreich“. Noch im Jubiläumsjahr erfolgte in Kusel die Verleihung der „ZELTER-PLAKETTE“ durch die damalige Kultusministerin Rose Götte. Im Mai 1999 bestand der Frauenchor 25 Jahre, und feiert dieses Ereignis mit Ehrungen und einem Freundschaftssingen weiblicher Chöre in der „Dampfnudel“. Im Februar 2001 stirbt mit Ehrenchorleiter Erwin Hartenstein ein Mann, der mit der jüngeren Geschichte des eng verbunden ist. Über 34 Jahre dirigierte er Männer-, Kinder- und Frauenchor, und sprang auch danach immer wieder „in die Bresche“.

Die Vielfalt der bis heute organisierten und durchgeführten musikalischen Veranstaltungen bei kulturellen, sozialen und offiziellen Anlässen innerhalb und außerhalb unseres Dorfes, und die spontane Bereitschaft, sich als aktive Gemeinschaft auch für andere Vereine und Institutionen und deren Anliegen zu engagieren, ergeben ein Bild sozialer Kompetenz, das den Verein langfristig geprägt hat. Insbesondere die Jubiläumsjahre 1994 und 1999 haben gezeigt, dass der GV Männerchor mit Frauenchor eine allseits beliebte und geachtete Chorgemeinschaft innerhalb des reichhaltigen Geschehens in Rülzheim ist.

In seiner langen Geschichte unterlag auch unser Gesangsverein den Strömungen der unterschiedlichsten politischen und kulturellen Zeitabschnitte, hat es aber trotzdem verstanden, seine Eigenständigkeit und seinen gesellschaftspolitischen Auftrag, als Verein zur Pflege und Förderung des Chorgesangs mit einer bodenständigen Heimatverbundenheit, zu erfüllen. Der GV Männerchor mit Frauenchor 1894 e.V. Rülzheim versteht sich auch heute noch als etablierte "Kulturgemeinschaft", die stets versucht, den schwierigen Weg zwischen anspruchsvollem Chorgesang und geselligem Vereinsleben zu gehen, der auch noch Spaß machen soll.

Wir sind sicher, in der Zukunft diesem hohen Anspruch auch weiterhin gerecht zu werden, getreu dem Wahlspruch, der für die unsere "Gründerväter" schon einen hohen Stellenwert hatte:

"Des Lebens Sonnenschein, ist Singen und fröhlich sein"